Dass ich nicht das Gefühl haben muss, als gute Feministin selbstbestimmt und komplett emotionslos zu dieser Entscheidung zu stehen.

Ich war Schwanger. Krass, wenn ich es jetzt hier so schreibe, steigen mir einerseits direkt Tränen in die Augen und andererseits erscheint es mir wie das Unwirklichste der Welt. Zu sagen, „Ich war Schwanger“. Fast so als würde ich von einer Reise erzählen. „Hey, ich war letzten Monat übrigens in Schweden, ja war nett, würd ich mal wieder machen, danke der Nachfrage!“ Nur, dass Gespräche über die Schwangerschaft meistens anders verlaufen. Wenn mensch* nämlich sagt, er*sie „war schwanger“ und aber kein Baby dabei hat und ja ganz offensichtlich nicht mehr schwanger ist und nicht über Elternschaft oder sowas reden kann, impliziert das ja quasi, dass mit der Schwangerschaft irgendwas „schief gelaufen“ sein muss. Und dann werden Menschen verhalten. Weil entweder bedeutet das, eine Fehlgeburt erlitten zu haben, oder sich eben für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden zu haben. Und egal welches der Beiden zutrifft, es ist ein Tabu!

Fehlgeburten, oh nein wie tragisch! Sich ein Kind zu wünschen und es zu verlieren. Und gleichzeitig aber auch etwas so Normales, schließlich geht jede dritte Schwangerschaft in den ersten 12 Wochen von alleine ab. Und ein Abbruch, also entweder hat mensch* so etwas nicht einfach so beiläufig irgendwo in einem Nebensatz zu erzählen, oder wenn mensch* das doch tut, bedeutet es ja wohl ganz offensichtlich, dass es kein Ding zu sein scheint. Komplett verarbeitet. Eine klare Entscheidung, die zu respektieren ist! Eine Entscheidung, über die keine Gespräche notwendig sind. Aha, danke für euer Mitgefühl.
Naja, in meinem Fall war es die bewusste Entscheidung für einen Abbruch. Aus Gründen. So wie Menschen immer Gründe haben, wenn sie diese Entscheidung für sich treffen. Aber wieso verdammt bedeutet das, dass es kein Ding mehr für mich sein muss?! Wieso verdammt spricht niemand mit mir darüber? Wieso scheint es kein Schwein zu interessieren, wie es mir danach geht?
Halte ich meine Entscheidung für „richtig“? Ja, und zwar weil sie in diesem Moment die Entscheidung war, die ich getroffen habe!
Würde ich diese Entscheidung nochmal treffen? Keine Ahnung, vermutlich wenn ich jetzt wieder schwanger werden würde schon. Schließlich ist die Entscheidung nur drei Monate her und so viel hat sich an meiner Situation ja auch nicht geändert.
Macht mich die Entscheidung traurig? Ja verdammt, jeden einzelnen Tag! Ich hatte ein Kind in mir. Und ja für mich ist es ein Kind gewesen. Ein Kind, das ich geliebt habe auch wenn es nur aus einer Vielzahl aus Zellen bestand, auch wenn es nur ungefähr 8 Wochen meines Lebens mit mir geteilt hat, auch wenn ich gerade noch nicht dazu bereit war, dieses Kind auf die Welt zu bringen, dieses Kind während seines ganzen Lebens zu begleiten, dieses Kind mein Leben begleiten zu lassen.
Ich habe es geliebt und habe es verloren. Habe mich selbst dazu entschieden, es zu verlieren. Und das tut verdammt nochmal einfach weh. Das macht unfassbar traurig. Ich vermisse dieses Kind, ich vermisse all die Erfahrungen die wir niemals zusammen erleben werden.
Und dennoch stehe ich zu meiner Entscheidung. Weil ich weiß, dass es ok war, ok für mich, ok für das Kind. Weil ich weiß, dass ich nicht die Mutter hätte sein können, die ich mir wünsche einmal zu sein, weil ich weiß, dass ich dem Kind nicht das hätte schenken können, was ich einem Kind irgendwann mal schenken möchte.
Ich möchte, dass Menschen mit mir darüber reden. Dass ich nicht das Gefühl haben muss, als gute Feministin selbstbestimmt und komplett emotionslos zu dieser Entscheidung zu stehen, dass ich nicht das Gefühl haben muss, als würde ich Menschen mit diesem Thema belästigen, dass ich nicht das Gefühl haben muss, als würde es niemanden interessieren, wie es mir jetzt geht.
Ich bin damit nicht allein. Und ich wünsche mir, mich auch nicht mehr alleine fühlen zu müssen.

This entry was posted in Uncategorized. Bookmark the permalink.